Gerade im grenznahen ländlichen Raum sind mir die folgenden Wirtschaftsthemen besonders wichtig. Der Kreis Viersen im Zentrum Europas hat durch seine Lage besondere Herausforderungen, aber auch Möglichkeiten.
Das schnelle Wachstum der Logistikbranche ist im Viersener Westkreis durch die Nähe zur niederländischen Grenze besonders zu spüren. Der größte Teil neu erschlossener Gewerbeflächen wird von Logistikdienstleistern genutzt.
Dieses enorme Wachstum brachte allerdings nicht nur Vorteile. Vor allem für die Beschäftigten von Speditionen, Logistikzentren und Lieferdiensten. Darum müssen nun die erreichten Verbesserungen bei Lenk- und Ruhezeiten für Fahrer*innen und das Kabinenschlafverbot mit besonders geschultem Personal konsequent durchgesetzt werden.
Das gilt auch für Speditionen aus dem Ausland, deren Fahrer*innen oft zu Dumpinglöhnen schuften und die Wochenenden unter unzumutbaren hygienischen Bedingungen auf den Seitenstreifen unserer Gewerbegebiete verbringen müssen. Hier sind die Ressourcen zur Kontrolle der bestehenden Rechtslage deutlich auszubauen, um die Speditionen in die Pflicht zu nehmen, die kommunalen Aufwände durch wildes Parken zu reduzieren und den Fahrer*innen zu ihrem Recht zu verhelfen.
Digitaler und stationärer Einzelhandel müssen verstärkt zusammen gedacht werden! Insbesondere kleine Einzelhändler*innen brauchen Unterstützung beim Schritt von der Fußgängerzone ins Internet: Von der lokalen Onlinehandelsplattform über virtuelle Geschäfte, digitale Einkaufsführer bis hin zur (im Internet längst gängigen) Nutzung anonymisierter Kund*innendaten sind die Chancen und Möglichkeiten vielfältig. Wichtige Voraussetzungen hierzu ist die Kompetenz, sich im digitalen Raum als Händler*in zu präsentieren.
Die Erwerb dieses Wissens ist der Schlüssel, um langfristig bestehen und unsere Innenstädte, auch im ländlichen Raum, bereichern zu können. Hier sind Fördermittel zielgerichteter angewendet, anstatt einen verlorenen Kampf gegen den digitalen Handel weiterzuführen.
Lokale Wertschöpfungsketten zu stärken und wohnortnahe Einkaufsmöglichkeiten zu schaffen, muss ebenfalls stärker in den Fokus rücken. Hier ist, gerade in der Anfangsphase, verstärkt strukturelle Unterstützung erforderlich.
Darüber hinaus müssen wir die Aufenthaltsqualität und das Einkaufserlebnis noch stärker in den Vordergrund stellen, um unsere Innenstädte lebendig zu halten: Begrünte Innenstädte mit wenig Autoverkehr und dafür vielen Ruhezonen in Kombination mit einem reduzierten, aber individuellen Angebot hochwertiger, regionaler Erzeugnisse sind eine Nische, die der Onlinehandel niemals besetzen wird.
Das gesellschaftliche Ziel der Klimaneutralität ist ohne eine innovativen Mittelstand nicht zu erreichen. Um Solo-Selbstständigen, Kulturschaffenden und KMU bis 50 Beschäftigten nach der Corona-Krise einen Neustart zu ermöglichen, müssen nun bei der Rückzahlung der Sofort- und Überbrückungshilfen großzügige Stundungen ermöglicht werden.
Darüber hinaus muss insbesondere der unbürokratische und bezahlbare Zugang zu sozialen Sicherungssystemen wie Arbeitslosen- und Krankenversicherung für Gründer*innen und Solo-Selbstständige forciert werden. Lohndumping, Werksverträge und ausbeuterische Subunternehmermodelle müssen bekämpft werden.
Homeoffice und Co-Working-Angebote haben das Potential, Pendelverkehre zu reduzieren. Co-Working-Spaces bieten darüber hinaus als gemeinsam genutzte Büros die Möglichkeit, sich mit unterschiedlichen Fachgebieten und Qualifikationen von Student*innen bis zu Manager*innen auszutauschen. Hierdurch werden Netzwerke gestärkt und Innovationen gefördert.
Für eine flächendeckende Umsetzung muss die Betriebsstättenverordnung an diese flexibleren Anforderungen angepasst werden, ohne Gesundheits- oder Sicherheitsstandards zu senken. Insbesondere im ländlichen Raum und in dezentralen Stadtteilen kann die Gründung privatwirtschaftlicher und genossenschaftlicher Co-Working-Spaces finanziell gefördert werden, indem die Städtebau- und Strukturförderung für entsprechende Vorhaben geöffnet wird.